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«Nachgefragt – Dialoge zur Nachhaltigkeit»

Herr Rudolf, Sie gehören einer Steuerungsgruppe um Olivier Meile vom Bundesamt für Energie an. Am Ende soll ein neuer Standard für Immobilien namens «Nach- haltiges Bauen Schweiz» stehen. Gibt es, national wie international, nicht schon genügend Bewertungs­ systeme? Claudio Rudolf: Natürlich gibt es bereits zahlreiche Standards in diesem Bereich, aber es ist verständlich, wenn sich auch das BFE auf nationaler Ebene über diese Thematik Gedanken macht. Es geht weniger um einen zusätzlichen Standard als vielmehr um eine Verein- heitlichung und Integration der bereits existierenden Ansätze. Da das Thema Nachhaltigkeit auch bei uns im Real Estate Asset Management eine wichtige strategi- sche Rolle einnimmt, bin ich dabei. Welche Rolle spielt das Thema bei der Credit Suisse? Wir haben 2009 den Immobilienfonds Credit Suisse Real Estate Fund Green Property lanciert, der der- zeit bereits Liegenschaften mit einem Gesamtwert von über CHF 600 Millionen Franken umfasst, sowie das Gütesiegel «greenproperty» entwickelt. Es ist das erste Nachhaltigkeitsrating, das eine gesamtheitliche Be­urteilung und Qualifizierung von Immobilien ermög- licht. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir in Projekte wie jenes des BFE involviert sind. Öffentliche Hand und Privatwirtschaft sollten sich absprechen. Was erwarten Sie sich von der neuen Initiative? Ich denke, dass es eine Konsolidierung, eine Zusam- menführung geben wird. Inhaltlich decken die beste- henden Labels und Zertifikate ja bereits ein breites Feld ab. Sie versprechen sich keine grossen Fortschritte? Ein Gesamtschweizer Zertifikat ist sicher ein guter Ansatz. Doch ist die Schweiz in puncto Nachhaltig- keit und nachhaltiger Bautechnik bereits weit voraus – bedingt auch durch die gesetzlichen Vorschriften. Mit Minergie und greenproperty sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Steht bei einem neuen Zertifikat für nachhaltige Immo- bilien das greenproperty-Siegel zur Disposition? Derzeit nicht, doch wir beobachten den Markt. Wir finden die verschiedenen Minergie-Standards wertvoll, allerdings ging uns das Minergie-Label zu wenig weit, weshalb wir mit greenproperty ein eigenes, umfas- sendes Gütesiegel entwickelt haben. Unser Gütesiegel baut auf Minergie-Eco auf und nimmt inhaltlich Bezug auf die Empfehlung SIA 112/1 «Nachhaltiges Bauen – Hochbau». Es ist ein Punktesystem, das fünf Kritierien einer Immobilie bewertet: Nutzung, Material, Energie, Lebenszyklus und Infrastruktur. In Zug hat die Credit Suisse das nach eigener Aus- sage umweltfreundlichste Bürogebäude der Schweiz er­richtet. greenproperty war beim «Foyer» nur eins von mehreren Labels. Ist es nicht gut genug? Die Dreifachzertifizierung mit greenproperty Gold, Minergie-Eco sowie LEED Platinum bestätigen die öko- logische und nachhaltige Bauweise des «Foyers». Der Mieter im Foyer ist global aufgestellt mit Hauptsitz in den USA, daher wurde das Gebäude zusätzlich nach LEED zertifiziert. Sie vertreten die Interessen von Anlegern, sprich die Kapitalmarktseite. Verliert man bei einer ökonomi- schen Sichtweise nicht leicht die hehren Ziele der Nach- haltigkeit aus den Augen? Das sehe ich völlig anders. Grün und rentabel sind gut vereinbar. Sie können das eine nicht auf Kosten des anderen maximieren, es ist eine Frage der Optimie- rung. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte müssen in Balance gebracht werden. Dies darf aber nicht auf Kosten des Nutzers gehen. Im Zentrum stehen der Mieter als Kunde auf der einen Seite und der Anle- ger als Kunde auf der anderen, der Kapitalmarktseite. Also geht es primär doch um ökonomische Ziele? Ja, aber in Übereinstimmung mit den Zielen der Nut- zer, die langfristig drinbleiben sollen. Wir wollen lang- fristige Erträge für den Anleger, deshalb müssen heutige Bauten nicht nur ökologisch und sozial, sondern auch ökonomisch nachhaltig sein ... Das Wort «nachhal- tig» ist in meinen Augen übrigens zu einem Modewort geworden. Was stört Sie daran? Heute ist jeder bei jedem Kaffee, den er trinkt, nach- haltig. Für mich ist das bessere Wort «langfristig» oder «gesamtheitlich». Wahrscheinlich ist «nachhaltig» dem Zeitgeist geschul- det, so wie heute keiner mehr «billig» sagt, sondern «günstig» oder «preiswert». Ich denke, dass gewisse Grundprinzipien der Nach- haltigkeit bereits früher erkannt wurden und bei- spielsweise in den Entwurfsprozess von guten Archi- tekten eingeflossen sind, etwa die Ausrichtung von Fensterfronten gegen Süden oder von geschlossenen Nebenräumen gegen Norden. Heute erfasst man den Nachhaltigkeitsbegriff sehr viel differenzierter und umfassender, indem zum Beispiel auch soziale Fakto- ren in die Beurteilung einfliessen. Bei unserem Güte­ siegel greenproperty-Label messen wir 86 Faktoren. Sehnen Sie sich nach der guten alten Zeit zurück? Nein, ich finde diese energetisch und technisch anspruchsvollen Bauten gut, keine Frage! Aber das Haus ist ja nicht mehr wert, weil es grün ist, son- dern weil das Grüne einen Mehrwert hat. Ob sich das Gebäude wirtschaftlich rechnet, wird man erst noch sehen. Es gibt allerdings bei privat genutzten Immobi- lien bereits Marktbeobachtungen, die für nachhaltige Gebäude auch höhere Transaktionspreise feststellen. Wir gehen davon aus, dass dies auch im institutionel- len Real-Estate-Investment der Fall sein wird. Es wird viel über das Einsparpotenzial beim Planen und Bauen gesprochen, der Nutzer kommt dabei oft gar nicht vor. Ist das ein unkalkulierbares Risiko oder ... … Das ist schon falsch gedacht: der Mieter als Gefah- renobjekt. Nein! Der Mieter ist nicht der Störfaktor, 46 Claudio Rudolf

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