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«Nachgefragt – Dialoge zur Nachhaltigkeit»

Herr Aebi, Sie haben auf die Frage, was einen Gestalter erfolgreich macht, einmal gesagt: Aussagekraft, Nach- haltigkeit und ein erschwinglicher Preis. Schliessen sich günstig und nachhaltig nicht erst einmal aus? Aurel Aebi: Das ist in der Tat noch eine Hemmschwelle. Und für mich auch der Grund, warum Nachhaltigkeit im Design oft nur eine untergeordnete Rolle spielt. Eigent- lich müssten wir da hinkommen, dass Nachhaltigkeit wie eine Produktqualität gesehen wird. Ich habe aber das Gefühl, der Begriff ist noch nicht hinreichend in den Köpfen verankert. Warum ist es so schwer, Kunden für nachhaltiges Design zu begeistern? Schlussendlich schaut man halt doch auf den Preis. Das Problem ist: Nachhaltigkeit ist etwas Unsichtbares – es ist schwieriger, jemand davon zu überzeugen, mehr Geld für etwas auszugeben, das er nicht sieht. Ich glaube, Nachhaltigkeit sollte eine Bewusstseinsfrage sein. Viele sind sich noch nicht bewusst, dass nachhaltig zu leben keine Option mehr ist, sondern eine Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Setzt man sich in einer so auf Schönheit und Ästhetik zie- lenden Branche dem Verdacht aus, Produkte zu entwer- fen, die optisch schmeicheln, nicht aber nachhaltig sind? Nein. Wir beginnen ja immer mit dem Material, haben es also buchstäblich in der Hand. Wir denken mit den Händen. Viele unsere Projekte entstehen aus dem Ver- stehen, dem Begreifen, also dem Anfassen des Materi- als. Deshalb stellen sich viele unserer Entwürfe als relativ einfache Verbindungen oder Strukturen dar, die nicht in einem extrem aufwendigen Prozess hergestellt werden müssen. Zum Beispiel? Ein Paradebeispiel ist Torslanda, ein Wanddiener ... ... von dem Ikea so angetan war, dass ihn das Unterneh- men in seine Kollektion aufnahm. Die Idee dabei war, ein auf allen Ebenen nachhaltiges Produkt zu entwickeln. Das Material stammt von recy- celten PET-Flaschen, das fertige Produkt ist vielseitig einsetzbar, integriert sich ideal in jeden Kontext, und die grosse Auflage hat es zudem erschwinglich gemacht – für circa 18 Franken pro Stück war es jedermann zugäng- lich. Sogar der Versand war günstig, da der Wanddiener in einem herkömmlichen Briefumschlag Platz findet. Ein Briefumschlag für ein Möbel? Torslanda ist im Originalzustand zweidimensional. Erst wenn man die Folie an die Wand schraubt, kommt die dreidimensionale Form zustande. Solche konsequent nachhaltigen Gedanken mussten Sie sich bei der Hängematte, die Sie im Auftrag von Louis Vuitton kreiert haben, sicher nicht machen. Bei diesem Projekt stellt sich natürlich die Frage, ob es keine anderen Probleme gibt, als eine Hängematte zu entwickeln, die im Verkauf über 32 000 Euro kostet. (lacht) Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Am Anfang nicht, das stimmt. Aber dann hat sich gezeigt, dass in der Produktion pro Stück rund 60 Prozent Abfall anfallen, weil Louis Vuitton perfektes Leder wollte. Dann kam uns eine Idee, wie man mit dem Abfall wie- der zu einer Haut kommt, ohne sie nähen zu müssen. Einfall durch Abfall sozusagen. Manchmal besteht die Kunst auch darin, aus dem zu schöpfen, was man nicht mehr brauchen kann. Wie haben Sie es geschafft, aus vielen Einzelteilen ein Ganzes zu machen? Wir haben ein Stanzwerkzeug entwickelt, mit dem sich die Elemente verbinden liessen. Ziemlich aufwendig, extra ein Werkzeug anzufertigen. Es kommt immer wieder vor, dass unsere Überlegun- gen bis hin zum richtigen Werkzeug reichen; wobei wir das Stanzwerkzeug jetzt auch für ein Möbelprojekt im Auftrag von B&B Italia verwenden. Wie gehen Sie ein neues Projekt grundsätzlich an? Wir machen uns von Anfang an Gedanken über die Materialwahl. Für uns ist es essenziell, das Wesen eines Materials zu verstehen, um aus diesen Wesenszügen zu schöpfen und etwas Gutes daraus zu gestalten. Bei uns ist das Material oft wichtiger als die Form. Oder besser gesagt: Aus dem Material entsteht die Form. Das setzt voraus, dass man einen guten Überblick über die verschiedenen Werkstoffe hat. Wir haben ein Lager mit derzeit etwa 30 000 Materialien aufgebaut. Jedes Mal, wenn wir eine Arbeit beginnen, fragen wir uns, welches Material das richtige ist, um eben keine Dinge zu schaffen, die nicht nachhaltig sind. Dazu gehören beispielsweise Verbindungen, die mecha- nischer Natur sind, also geschraubt und nicht verklebt werden müssen. Wie passt da eine Hängematte aus Leder ins Bild? Man muss das bei jedem Projekt kritisch hinterfragen. Mein Grossvater hatte sich eine Ledertasche gekauft, die ich jetzt schon in der dritten Generation benutze. Leder wird im Alter ja immer spannender, was Look und Haptik betreffen. Ich will damit sagen: Man ist sehr schnell in der Analyse, aber man müsste sie bis zum Schluss machen, um beweisen zu können, ob etwas wirklich nachhaltig ist oder nicht. Manchmal sieht ein Produkt einfach aus, aber dann stellt sich heraus, dass es aufwendig hergestellt und um die halbe Welt verschoben wurde – dann ist der Prozess nicht mehr nachhaltig. Wie stehen Sie zu dem Begriff? Ich finde ihn nicht unproblematisch. Im Französischen sagt man in so einem Fall «mot-valise»: Kofferwort. Man kann da alles reinpacken, aber die Frage ist doch, ob etwas wirklich nachhaltig ist, ob ich danach lebe und handle. Oder ob es nur ein Schlagwort ist? Welchen Stellenwert hat die Thematik bei Ihren Kunden? In den Briefings ist schon immer wieder die Rede davon, dass es in die Richtung gehen soll. Da finden es alle noch spannend. Dann rückt die Herstellung näher und wenn sich abzeichnet, dass zum Beispiel der Werkzeugbau zur Produktion kostenintensiver ist, ist nachhaltiges Design nicht mehr so interessant. Am Schluss ziehen es die wenigsten durch. Was kommt heraus, wenn Kunden mitspielen? Ich denke da an das Vogelhaus, das komplett essbar ist, weil es aus Vogelfutter gebaut ist. Am Schluss isst der Vogel das Futter und der Kreis schliesst sich. Nichts bleibt übrig. Man materialisiert und dematerialisiert wieder. 14 Aurel Aebi

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