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«Nachgefragt – Dialoge zur Nachhaltigkeit»

Herr Stöckli, als Leiter der Division Immobilien der SBB sind Sie Herr über rund 4000 Grundstücke mit annä- hernd so vielen Gebäuden. Können Sie das Wort Nach- haltigkeit noch hören? Jürg Stöckli: (lacht) Sehr gut sogar, das hat eine grosse Bedeutung für uns. Wir sind ja nicht nur Eigentümer der Bahnhöfe, sondern auch der Liegenschaften im Umfeld. Und die wollen auch entwickelt werden. Gerade bei Neubauten gehen wir das Thema Nachhaltigkeit umfas- send an, zumal wir hier viel mehr Möglichkeiten haben als im Bestand. Nicht nur in ökologischer Hinsicht, auch wirtschaftlich und beim Mietermix, also auch in Bezug auf die gesellschaftliche Nachhaltigkeit. Viele der Bahnhöfe stehen unter Denkmalschutz ... ... ungefähr 50 Prozent unserer 800 Bahnhöfe ... ... das heisst, die Gebäude überzeugen zwar oft durch ihre ansprechende Optik, bieten aber nur beschränk- tes Entwicklungspotenzial. Wie geht die SBB damit um? Das ist für uns eine grosse Herausforderung. Schon allein bei den Dämmwerten und den Fenstern müssen wir genau hinschauen, was machbar ist. Ich empfinde es jedenfalls nicht als Widerspruch, auch solche Liegen- schaften zu entwickeln. Bahnhöfe sind die Eingangstore für unsere Kunden. Wir wollen sie erhalten, weil sie wich- tige Zeugen der Vergangenheit sind. Das gilt vor allem dort, wo es Sinn macht. Wo macht es Sinn? Wo wir viel Frequenz haben. Schwieriger wird es an Orten mit geringer Frequenz, aber auch dort haben wir den Auf- trag, die Bahnhöfe auf einem guten Niveau zu halten. Nachhaltigkeit betrifft ebenso die Nutzung einer Immobilie. Bahnhöfe gelten vielerorts als – vorsichtig formuliert – wenig einladend. Trübt das die Nachhal- tigkeitsbilanz? Wir befragen unsere Kunden jährlich sehr intensiv, unter anderem auch zur Sauberkeit an den Bahnhöfen. Unsere Dienstleistungswerte sind hoch, die Kunden zufrieden. Jedes Jahr fliessen rund 150 Millionen Franken in den Ausbau der Bahnhöfe zu modernen Mobilitätszentren. Das ist nicht immer ganz einfach, wenn sich täglich etwa 1,3 Millionen Fahrgäste durch die Gebäude bewegen; da wird auch viel auf den Boden geworfen. Deshalb haben Sie am Bahnhof Bern auch ein Pilot­ projekt zur Abfalltrennung gestartet. Lassen sich Zugreisende im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit erziehen? Die Auswertungen sind sehr positiv verlaufen, mehr als 90 Prozent der Berner haben sich an das Konzept gehal- ten. Wir werden in den nächsten Wochen entscheiden, ob und wie wir das Projekt fortsetzen. Natürlich sind damit Investitionen verbunden, aber die Kunden wollen das, sonst hätten sie nicht einen so grossen Beitrag geleistet. Wir reden immer von Immobilien. Bezieht sich Nach­ haltigkeit auch auf die Züge? Der Konzern will sich ganzheitlich ausrichten, das betrifft auch die Züge. Natürlich ist der Stromverbrauch ein Thema – wir wollen weg von der Atomkraft. Schon heute beziehen wir 70 Prozent unserer Energie aus Wasserkraft. Durch den Bau des Gotthard-Basistunnels steht die Schweiz besonders im Licht der Öffentlichkeit. Schwindet nach der für 2016 geplanten Eröffnung das Interesse, sich als nachhaltiges Unternehmen zu präsentieren? Auf keinen Fall! Wir haben ja viele andere Bauwerke, die wir eröffnen. Denken Sie an die Durchmesserlinie in Zürich, die 2014 in Betrieb geht. Oder CEVA in der Westschweiz, wo wir Genf mit der Agglomeration ver- binden. Sicher ist der Gotthard etwas ganz Spezielles, aber die Welt geht danach weiter. Nachhaltigkeit ist nichts, was nur ein paar Minuten anhält, das wird uns auch in Zukunft beschäftigen. Für viele Reisende gibt es keine Alternative zum Zug. Gerade im Nahbereich müssen Bahnimmobilien den Wettbewerb kaum fürchten, anders als Büroimmo- bilien. Woher nehmen Sie den Antrieb, trotzdem auf Nachhaltigkeit zu setzen? Die Bahnhöfe sind unser Herzstück. Es wäre völlig falsch, wenn wir unser Kerngeschäft vernachlässigen würden. Wir sind gefordert, auf die Bedürfnisse der Kunden ein- zugehen. Wir wollen mehr bieten und bauen deshalb die Aufenthaltsqualität und die Dienstleistungsange- bote aus. Natürlich nicht ganz selbstlos, immerhin ver- dienen wir mit den Bahnhöfen gutes Geld. Das fliesst übrigens eins zu eins in die Infrastruktur des Unterneh- mens. Wenn die Kunden auch noch zufrieden sind, ist das eine Win-win-Situation – so sehen wir das Geschäft. Gerade weil die Bahn vor allem «Filetstücke» in Innen- stadtlage hat, muss der Druck auf Sie besonders hoch sein, eine gelungene Planung im Sinne der Nachhaltig- keit vorzulegen. Druck ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich finde, es ist anspruchsvoll,einzentralesArealzuentwickeln.Anspruchs- voll, weil so viele Interessensgruppen da sind: die Nutzer, das Quartier und wir selbst als Eigentümer. Deshalb verge- ben wir auch Aufträge für Studien oder veranstalten Wett- bewerbsverfahren und geben uns die Zeit, um ein gutes Projekt zu entwickeln, das in allen Bereichen nachhaltig ist. Was verstehen Sie darunter? Ein Quartier, das auch für unsere Nachkommen tauglich ist, das belebt und durchmischt ist und in dem man sich gerne trifft. Es muss etwas Attraktives sein, das akzeptiert wird – so wie die Europaallee, wo unser Leuchtturmprojekt als Ausdruck urbaner Nachhaltigkeit entsteht. Ich höre immer wieder, dass die Häuserschluchten im Baufeld A ein Gefühl der Beklemmung hervorrufen und abends dort kaum Leben herrscht. Muss die Planung für die weiteren Abschnitte nachgebessert werden? Nein! Die Architektur ist sehr klassisch und gut durch- dacht. Die Gebäude funktionieren; die Ergebnisse der Mie- terbefragungen sind hervorragend, und auch die Verbin- dung mit dem öffentlichen Verkehr ist da. Architektur ist wie Kunst: Die gefällt gewissen Leuten und anderen weni- ger. Wir sind sehr überzeugt von dieser Lösung. Man muss sehen, dass das Quartier noch lange nicht fertig ist. Die Attraktivität nimmt weiter zu. Inwiefern? Als nächstes kommt die UBS – das sind über 2000 Leute. Ein Quartier, das neu kommt, und auch noch in Etap- pen, braucht einfach etwas Zeit. Wir haben die Durch­ mischung, allerdings peu à peu. Das ist die Herausforde- rung in der Europaallee. Wir waren uns dessen bewusst, deshalb haben wir das Projekt «Kunst am Bau» initiiert. Was machen Sie da genau? Es geht um Installationen auf der Baustelle, ein Pro- jekt, das wir zusammen mit der Stadt Zürich durchfüh- ren. Verschiedene Künstler stellen sich in verschiedenen Aktionen dar. Das führt schon zur Belebung des Areals während der Bauphase. 42 Jürg Stöckli

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