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«Nachgefragt – Dialoge zur Nachhaltigkeit»

Herr Domanig, Sie bieten Dienstleistungen an, die den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie abbilden. Wel- chen Stellenwert hat dabei das Thema Nachhaltigkeit? Hans-Peter Domanig: Einen sehr hohen. Wir sind in der Schweiz nahezu die einzige Unternehmung, die alle Bereiche abdeckt. Nachhaltigkeit ist für uns mehr als nur Bauen, auch das Bewirtschaften gehört dazu. Der Begriff führt ein reges Eigenleben quer durch alle Kanäle. Ist es schwieriger geworden, für Nachhaltigkeit zu werben? Es stimmt schon: Die einen können ihn gar nicht mehr hören, weil er in alle Richtungen strapaziert wird. Wenn man die Menschen fragt, was Nachhaltigkeit für sie ist, kommen viele Thesen. Aber klar ist: Nachhaltiges Bauen ist heute Realität. Was ist Nachhaltigkeit für Sie? Grundsätzlich sprechen wir lieber von einem Life-Cycle- Modell, da wir ein Projekt ein Leben lang begleiten, uns also nicht nach der Schlüsselübergabe und der Garantie­ zeit zurückziehen. Vielmehr liegt uns daran, auch den Umgang der Kunden mit der Immobilie zu verstehen. Welche Erkenntnisse lassen sich daraus ableiten? Wir wissen heute, dass wir den grössten Ansatzpunkt in der Planungsphase haben. Fehler, die hier gemacht werden, können wir beim Bau und Betrieb nicht mehr ausgleichen. Das ist wie mit einem Auto: Ist es einmal in der Fabrikationsstrasse, kann ich am CO2-Ausstoss nichts mehr ändern. Was heisst das auf ein Gebäude übertragen? Weg vom renditefixierten Investitionskostenfokus, hin zur Lebenszyklusbetrachtung. Stellen Sie sich eine Ziel- scheibe vor: Da haben Sie in die Mitte reingeschossen und waren am Ziel. Jetzt sagen wir: Zielscheibe plus die Phase der Nutzung – das sind sozusagen die Ringe drum herum. Mit dem Fokus auf den Betrieb wollen wir beweisen, dass wir Betriebskosten senken können, wenn man klug baut. Wann treten Sie den Beweis an? Wir haben jetzt ein grosses Projekt am Flughafen Zürich gestartet, wo uns 200 000 Quadratmeter Grund gehö- ren – und die Überbauung zur 2000-Watt-Gesellschaft erklärt. Geplant wird übrigens nach DGNB (Deutsches Gütesiegel für nachhaltiges Bauen, Anm. d. Red.). Tut es ein normales Label nicht mehr? Mir hat noch keiner beweisen können, dass mit einem normalen Label die Betriebsnebenkosten gesenkt wer- den können. Also Minergie-Standard, der in der Schweiz quasi vorgegeben ist. Von dem gehen auch wir aus, darunter baut praktisch keiner mehr. Sind Immobilien ohne Zertifizierung schwerer zu ver- markten? Ja, das fängt schon bei einer Eigentumswohnung an. Sie werden in der Schweiz Mühe haben, so ein Objekt zu verkaufen, wenn es nicht mindestens Minergie entspricht. Im Gewerblichen sieht es anders aus. Dort kriegen Sie heute mit Minergie keinen Angelsach- sen oder Deutschen mehr, gerade wenn es um grös- sere Firmen geht. Beim «Foyer» in Zug hätten wir ohne LEED (das amerikanische Zertifizierungssystem Leader- ship in Energy and Environmental Design, Anm. d. Red.) keine Chance gehabt, es an Johnson & Johnson zu ver- mieten. Fördern Labels eine Zweiklassengesellschaft? Was heisst eine Zweiklassengesellschaft? So gesehen haben wir mehr als zwei Klassen. Nehmen wir wieder das «Foyer» in Zug. Da ist der Bauherr noch weiter gegangen: Toiletten, die von Regenwasser gespeist werden, ener- giesparende LED-Leuchten, Strom von der Fotovoltaik- anlage usw. Ich habe bei der Übergabe mit dem Direk- tor von Johnson & Johnson gesprochen. Er hat sich über die Entsorgung der vielen PET-Flaschen beklagt, die bei 1000 Mitarbeitenden täglich anfallen. Jetzt führt eine Leitung vom nahen See in jede Teeküche, wo Sie kosten- los aufbereitetes Seewasser erhalten. Der Mieter legt die Messlatte also hoch? Wenn eine grosse Unternehmung ihr eigenes Label mitbringt, kommen natürlich Anforderungen auf uns zu. Dann müssen Sie als Investor oder Bauherr umden- ken. Das ist die Zukunft, da bin ich ganz sicher; zumin- dest am Flughafen, in Zug oder Genf. Sind Schweizer Bauherren leichter zu befriedigen? Das würde ich nicht sagen. Aber ein internationaler Konzern, der Nachhaltigkeit in der Unternehmens­ strategie verankert hat, verfolgt andere Ziele als ein Unternehmen, das nur in der Schweiz tätig ist und 500 Mitarbeitende beschäftigt. Das ist vielleicht auch eine Frage der Kosten. Wie sieht die Rechnung aus? Ein nachhaltiges Gebäude kostet mehr, aber wenn ich es geschickt mache, hole ich das über die Betriebs­ nebenkosten rein. Ich nehme das Beispiel Auto, weil es allen geläufig ist: Wenn Sie in der Anschaffung ein paar Tausend Franken mehr zahlen, dafür aber nur noch 5 statt 10 Liter brauchen und auch der Service um 50 Prozent günstiger ist, dann hat sich das schnell amortisiert. Leidet die Ästhetik unter dem Nachhaltigkeitsdiktat? Früher war die Ästhetik ein Thema. Heute haben wir Autos mit Elektromotoren und 300 PS, die wie Sport­ wagen aussehen. Wobei das Auto ein Massenprodukt ist. Das unterscheidet die Fahrzeug- von der Baubranche. Wir bauen Unikate, nicht die Masse. Jedes Haus schaut anders aus, jede Gemeinde hat andere Vorschriften und Ausnutzungsziffern. Das macht es sicherlich schwieri- ger, mit Unikaten umzugehen. Hinzu kommt: Ein Auto hat in der Regel einen viel kür- zeren Lebenszyklus als ein Gebäude. Kann man sagen, dass ein nachhaltiges Haus nie so attraktiv sein wird, weil es langfristiger, sprich weniger zeitgeistig gedacht werden muss? Nein! Natürlich muss der Architekt funktionale Aspekte berücksichtigen, damit sich das Gebäude später zum Beispiel auch als Spital nutzen lässt. Das setzt wiede- rum eine Statik voraus, die nicht so starr ist, sondern in verschiedene Richtungen interpretiert werden kann. Aber eine Energiesparlampe ist einfach nicht so anmu- tig wie eine Glühfadenlampe. Einigen wir uns darauf, dass nachhaltig nicht gerade sinnlich ist? Ich würde es so sagen: Nachhaltige Architektur muss Attraktivität nicht ausschliessen. Es gibt sicherlich Zwänge, gerade bei den internationalen Zertifizierungs- systemen; da hat der Architekt nicht mehr so freie Hand. 30 Hans-Peter Domanig

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